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meine liebe Oma Charlotte Kietz - Schahada mit 88, gestorben mit 93 Jahren - mit Ergänzung: Anwendung einer Fiqhgrundlage

Bismillah

Heute nacht, am 31.10.2005, ist meine geliebte Oma mütterlicherseits, Charlotte Kietz, geb. Harries, im Alter von 93 Jahren zu Allah zurückgekehrt. Sie war in einer Zeit geboren (1912), wo das islamische Kalifat noch existierte. Sie war in Lodz im heutigen Polen geboren. Früher gehörte das Gebiet zum deutschen Reich.

Wir sind von Allah und wir kehren zu Ihm zurück.

Sie hat vor ca. 5 Jahren das islamische Glaubensbekenntnis gesprochen. Jedoch war sie damals bereits zeitweise verwirrt bzw. hatte Gedächtnislücken. Später konnte sie sich an fast nichts mehr erinnern und wusste auch nicht mehr, dass sie Muslima geworden war bzw. ist.

Zum Zeitpunkt, als sie die Schahada (das islamische Glaubensbekenntnis) ausprach, hatte ich allerdings das Gefühl, dass sie sich dessen voll bewusst war.
Es war auf einem Spaziergang in Berlin-Tegel, wo sie bei meinem Onkel gewohnt hatte. Ich bat sie damals in Tränen, doch den Islam anzunehmen, dass sie sich retten möge und erzählte ihr die Überlieferung von Safatir, dem obersten christlichen Gelehrten des Byzantinerreichs, wie er den Islam annahm, nachdem der Botschafter des Gesandten Allahs (s.a.s.) zu ihm kam. Diese Überlieferung von Ibn Kathir ist im DIdI-Download "Einführung in das Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen" in Kap.2 wiedergegeben. Meine Oma sagte mir damals: "Das hast du mir schon mal erzählt." Dann, als ich sie aufforderte, die Schahada (d.h. das islamische Glaubensbekenntnis) zu sprechen, schaute sie sich ängstlich um und fragte, ob jemand zuschauen würde. Dann sprach sie die Schahada und wir gingen zurück zum Haus meines Onkels, der leider nicht viel vom Islam hält. Möge Gott ihn und seine Familie rechtleiten. Ich sagte ihr, dass sie ihren Übertritt zum Islam nicht offen mitteilen sollte, da ich befürchtete, dass sie wieder vom Islam abwegig gemacht würde. Sie sagte: "Nein, braucht man ja nicht mitzuteilen." Zu Hause half ich ihr bei der Gebetsvorwaschung und wir beteten zusammen.

Es war eine sehr liebe Oma. In den 90iger Jahren hatte sie schon etwas für die bedürftigen Muslime aus Bosnien gespendet.

Falls Allah sie als Muslima hat sterben lassen, dann bitte ich Ihn, den Allerbarmer, dass Er sie ins Paradies eintreten lassen möge und dass wir uns dort wieder sehen. Und nur Er allein weiss, in welcher Religion sie gestorben ist. Denn die Taten und somit auch die innere Überzeugung zählen nur solange man zurechnungsfähig ist.

Gelobt sei Allah dem Herrn der Welten. Möge Allah die noch lebenden Eltern von allen zum Islam übergetretenen Menschen auch zum Islam führen und sie so mit ihren Kindern und deren muslimischen Nachkommen ins Paradies eintreten lassen.

Und möge Allah meiner lieben Mutter, die sich in den letzten Jahren so gut sie konnte um meine Oma gekümmert hat und ihr versucht hat, den Tauhid (den Glauben an den Einzigen Gott, der keinen Sohn hat) nahezubringen, Trost geben.

Samir Mourad



Nachtrag vom 12.11.2005:
Wir haben vor zwei Tagen alhamdulillah meine Oma begraben und davor über sie das Totengebet verrichtet. Das war in Ordnung so: Nachdem ich mit mehreren Gelehrten gesprochen habe, lag der Fall so: Sie ist sicher zum Islam übergetreten (weil sie die Schahada gesagt hat). Danach hat sie in einem wohl nicht zurechnungsfähigen Zustand die Sache vergessen bzw. etwas anderes gesagt. Es bestehen also Zweifel, ob sie wieder abgefallen ist (bzw. ob dieser Abfall gültig ist). Die Fiqh-Grundlage besagt, dass man immer von der sicheren Basisgrundlage ausgeht, und dass eine spätere Unsicherheit nicht die ursprüngliche Sicherheit (in diesem Fall den sicheren Übertritt zum Islam) annuliert. Diese Sache musste natürlich abgeklärt werden, da es einerseits das Recht eines gestorbenen Muslim ist, dass man für ihn das Totengebet verrichtet, andererseits ist es eine Sünde, für einen gestorbenen Nichtmuslim um Verzeichung zu bitten - auch wenn es ein geliebter Verwandter ist. Dem Propheten (s.a.s.) wurde verboten, für seinen Onkel Abu Talib zu beten, nachdem er als Götzendiener gestorben ist, obwohl er den Islam beschützt hat. So muss also geklärt werden, von welchem Fall die Menschen ausgehen müssen - und die Abrechnung liegt bei Allah, denn nur er kennt die Herzen. Möge Allah also meiner Oma barmherzig sein.
geschrieben am 13.11.2005
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Autor Samir Mourad

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