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Eigenes Ableiten von islamischen Bestimmungen für auftretende Sachverhalte mit Hilfe der Quellen (arab. idschtihad) und Folgen von Gelehrten (arab. taqlid)

aus dem DIdI-Skript "Quellenlehre und Grundprinzipien der islamischen Bestimmungen":

(Der Inhalt der Fußnoten, die im Skript vorhanden sind, sind hier zumeist nicht wiedergegeben)


Kap. 1.6 Eigenes Ableiten von islamischen Bestimmungen für auftretende Sachverhalte mit Hilfe der Quellen (arab. idschtihad) und Folgen von Gelehrten (arab. taqlid)

1.6.1 Definition von Idschtihad

Sprachliche Definition des arabischen Wortes idschtihad:
Sich stark anstrengen, etwas zu tun; sich abmühen.

Als islamischer Fachbegriff:
Hier wird das Wort idschtihad speziell benutzt für die Anstrengung, die man in der Wissenschaft unternimmt, um islamische Bestimmungen herauszufinden. Als „umfassender Idschtihad“ wird bezeichnet: Wenn man so eingehend in einer Sache forscht, bis man selbst das Gefühl hat, dass man nicht mehr weiter forschen kann, d.h. dass man das Thema gänzlich erforscht hat.

1.6.2 Die wissenschaftlichen Voraussetzungen, die jemand erfüllen muss, um Idschtihad machen zu können

Folgendes sind die wissenschaftlichen Voraussetzungen für jemand, der Idschtihad machen will - das weitere Kriterium der Rechtschaffenheit (arab. 'adala) des Mudschtahid (jemand, der Idschtihad durchführt) ist Voraussetzung dafür, dass man eine Fatwa (Rechtsauskunft) von dem betreffenden Gelehrten annehmen darf:

1.Ausreichende Kenntnis des Koran: Ausreichend bedeutet, dass er all diejenigen Koranverse kennt, von denen Bestimmungen abgeleitet werden. Dies sind ca. 500 Koranverse. Des Weiteren muss er die abrogierenden und die abrogierten Koranverse kennen (nasikh und mansukh)

2.Ausreichende Kenntnis der Sunna:
a)Er muss die Hadithe der rechtlichen Bestimmungen (arab. ahadith al-ahkam) kennen, d.h. Hadithe von denen konkrete islamische Bestimmungen – Handlungsanweisungen - abgeleitet werden. Es gibt eine große, aber begrenzte Anzahl solcher Hadithe.
b)Er muss die abrogierenden und die abrogierten Hadithe kennen (nasikh und mansukh). Jedoch ist im konkreten Fall ausreichend, wenn er er sicher weiß, dass ein Hadith, welchen er als Beleg heranziehen will, nicht abrogiert (arab. mansukh) ist.
c)Er muss wissen, ob ein Hadith, den er als Beleg heranziehen will, authentisch (arab. sahih) ist oder ein schwacher Hadith ist. Entweder muss er dafür die Zuverlässigkeit der Überlieferer in der Überliefererkette kennen oder aber er stützt sich auf die Kategorisierung der anerkannten Hadithbücher und Hadithgelehrten wie Buchari, Muslim, Tirmidhi bzw. aus der neueren Zeit Albani.

3.Ausreichende Kenntnis von den Sachverhalten, bei denen es eine Übereinstimmung aller Gelehrten einer Zeit (arab. idschma') gab. Ausreichend bedeutet im konkreten Fall, dass er wissen muss, ob es in der Fragestellung, die er gerade untersucht, eine Übereinkunft aller Gelehrten einer Zeit, d.h. einen idschma', gab oder nicht.

4.Kenntnis dessen, auf welche Art potentielle Belege aus Koran und Sunna abgeleitet werden und auf was für eine Bestimmung genau ein jeder dieser Belege weist. Dazu hat er auch über ausreichende Kenntnisse bzgl. der arabischen Grammatik und Rhetorik zu verfügen, um in den Offenbarungstexten (Koran und Sunna) genau erkennen zu können, was genau durch ein Satzteil ausgedrückt wird. (Dieses Thema wurde ausführlich in Unterkapitel 1.4 „Ableitung von Bestimmungen aus den Offenbarungstexten (Koran und Sunna)“ behandelt. D.h. er muss dieses ganze „sprachtechnische“ Umfeld für potentielle Offenbarungstexte kennen, die er bei seiner Untersuchung – seinem Idschtihad - heranziehen will.)

5.Ausreichende Kenntnisse des aufgetretenen Sachverhaltes, den er aus islamischer Sicht beurteilen will. D.h. wenn jemand z.B. einen Idschtihad durchführen will über Gentherapie und herausfinden will, ob es islamisch erlaubt oder verboten ist, dann muss er sich sich auch ausreichend in Molekularbiologie und Gentechnik auskennen, um überhaupt einen Vergleich anstellen zu können mit ähnlichen Sachverhalten, über die Offenbarungstexte existieren.
geschrieben am 30.09.2006
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Autor Samir Mourad
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